Platzgestaltung in Wels/Österreich Rendezvous mit Gelenkbussen und Flaneuren
Der traditionsbeladene Kaiser-Josef-Platz in Wels erhielt ein aussagekräftiges Makeover der Landschaftsarchitekten atelier dede. Zwischen Wettbewerbsgewinn und Fertigstellung lag gerade mal ein gutes Jahr.

Der Verkehrsknotenpunkt einer österreichischen Stadt wurde neugestaltet. Mehr Grün, mehr Platz für Fußgänger und mehr Leben in der Stadt. Doch darüber hinaus mussten die Planer noch auf intensiven Linien- und Individualverkehr und zeitnahe Fertigstellung achten.
Planung und Umsetzung in kurzer Zeit
Im Sommer 2020 gewannen die Landschaftsarchitekten atelier dede gemeinsam mit Generalplaner Steinkogler Aigner Architekten den EU-weit offenen Realisierungswettbewerb. Die Umsetzung und Abstimmung mit dem Auftraggeber, der Stadt Wels, ging zügig voran - die Planer mussten die Fertigstellung im September 2021 unbedingt einhalten.
Der landschaftsarchitektonische Entwurf von atelier dede bildet die Einflüsse des Umlands und der Landschaftsgeschichte ab und betont gleichzeitig die Urbanität. Ausreichend kühlende Bäume, die sich als klimafit erwiesen haben, bilden gemeinsam mit Landschaftsinseln den Rahmen für den Stadtraum, der neben der Dynamik, die er jetzt schon besitzt, auch Platz zum Verweilen bieten soll.
Lebenswerter Platz in Nahverkehrszone
Die Fußgänger sollen von der Neugestaltung in der adaptierten Begegnungszone am meisten profitieren. Die Planer vergrößerten die Randbereiche und die Bus-Insel. Sie bieten so mehr Platz für die flanierenden Akteure des Raumes. Die Fahrbahn der Busse erhielt aus Stabilitäts- und Sicherheitsgründen eine Asphaltdecke. Die Mündung einer der meist frequentierten Einkaufsstraßen der Stadt ist durch die Weiterführung des Pflasters als "Belagsteppich" kenntlich gemacht. Der helle Granitstein aus dem Bayrischen Wald, der die Fußgängerbereiche von der Fahrbahn abgrenzt, soll dem hoch frequentierten Platz gemeinsam mit den verbindenden Dachkonstruktionen eine neue Identität geben.
Die Neugestaltung der “Rendezvous-Haltestelle” für acht gleichzeitig haltende 18 m lange Gelenkbusse war die größte Herausforderung im Planungs- und Bauprozess.
Geschwungene Dachlandschaft bringt Schatten und Kühlung
Drei unterschiedlich groß dimensionierte Dächer überspannen den Platz. An Hitzetagen bringen sie - durch Dachbegrünung und Holz als natürliches Baumaterial - Schatten und Kühlung. Intarsien am Dach, die sich in Form der Landschaftsinseln am Platz widerspiegeln, ermöglichen einen zusätzlichen Kühlungseffekt durch Windbewegung.
Klimafitte Bepflanzung und natürliche Temperaturregulierung
Bäume bilden gemeinsam mit den Landschaftsinseln den Rahmen für den Stadtraum, der gleichzeitig Platz für Bewegung und Aufenthalt bietet. Die durch Ausnehmungen wachsenden Bäume stehen symbolhaft für eine neue Ära der Stadtgestaltung - „das Grün“ wird relevanter. Die Pflanzung in erhöhte Inseln reduziert den Nutzungsdruck auf Leitungen in der Erde. Bei der Wahl der Baum- und Staudenpflanzungen achteten die Planer – soweit es möglich war – auf regionale Arten, die auch als Bienen – und Insektenweide dienen.
Aufnahmen der konstanten Veränderung
„Die Klimaveränderung ist deutlich spürbar. Sie verlangt planerische Umdenkprozesse, die die grünen Disziplinen der Außenraumgestaltung fordert. Landschaftsarchitektur braucht mehr. Sie muss Geschichte, Menschen und die geografischen Besonderheiten verbinden", beschreibt David Dobetsberger, Gestalter und Geschäftsführer von atelier dede, den gestalterischen Arbeitsprozess.
Historische Aufnahmen von Wels zeigen eine Landschaft, die von Flüssen dominiert war. Die Traun und der Mühlbach mäandrierten durch die ersten Siedlungen von Wels. Die Welser Heide prägte das Umland und Schotterterrassenablagerungen sind ein Relikt aus der Eiszeit. Der Kaiser-Josef-Platz war einst ein großer Vorstadtplatz, der das Land und die Stadt verband. Diese Einflüsse spiegeln sich in der Neugestaltung des Kaiser-Josef-Platzes wider. Darüber hinaus wird der urbane Charakter der Stadt betont. Die Beleuchtung des Platzes prägt abends den Charakter des Platzes: Sie kreiert ein freundliches und gleichzeitig avantgardistisches Ambiente. Lichteffekte unter dem Dach, den Bänken und Betonpflanzinseln verleihen dem neuen Kaiser-Josef-Platz ein besonderes Erscheinungsbild.
Eine Einladung zum Bleiben
Großer Wunsch des Auftraggebers waren die beiden neuen, beleuchteten Brunnenanlagen. Sie tragen zur Unterhaltung und Entspannung bei. Eine erhöhte Anzahl an Sitzgelegenheiten ohne Verzehrzwang und Fahrradabstellplätze fördern das Leben im Stadtzentrum. Die Platzfläche bleibt nutzungsoffen und frei, um mit Märkten und Festen bespielt zu werden.
Die Inklusionsplanung wurde in Kooperation mit dem oberösterreichischen Blindenverband durchgeführt. Die Landschaftsarchitekten versetzten das Denkmal von Kaiser Joseph II., dem Namensgeber des Platzes, auf die Ostseite des Platzraums, wo es im separat gefassten Platzraum wirken kann.
Atelier dede
Atelier dede wurde 2017 von David Dobetsberger gegründet. Nach erfolgreichen Projekten bei europaweit tätigen Büros, folgte der Entschluss ein eigenes Unternehmen zu gründen. Was die unterschiedlichen Konzepte vereint, ist eine Formensprache, die die Historie des Ortes und der Menschen reflektiert, sowie ökologische, sowie technische Anforderungen vorantreibt.
Beteiligte
Generalplanung:
www.steinkogleraigner.at
Landschaftsarchitektur:
www.atelierdede.com
Fachplaner:
www.ikw-amstetten.at
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