Digitaler Bauantrag Architektenschaft übt Kritik

Kommunen zögern zu lange beim digitalen Bauantrag und das Land muss Mittelstand bei digitaler Transformation mehr fördern – so die Kritik der hessischen Architektenschaft.

AHK

Digitalisierung der öffentlichen Bauverwaltung ist schwer: Nur 7,8 % der von der Architekten- und Stadtplanerkammer Hessen zu diesem Themabefragten hessischen Architektinnen und Architekten konnten im vergangenen Jahr bereits Erfahrungen mit dem digitalen Bauantrag bei den Kommunen sammeln; der Rest mangels digitalisierter Verfahren nicht. Bedauerlich, nach Ansicht der Architekten- undStadtplanerkammer. Denn an sich, wenn das Bauantragsverfahren digital läuft, fallen die Bewertungen positiv aus. Während nur 9,8 % der Befragten Verschlechterungen oder keine Verbesserungen verzeichneten, stellten rund 90 % Verbesserungen fest, bei 61 % waren es sogar deutliche Verbesserungen.

Kurz: Die Mühe der Digitalisierung lohnt sich im Prinzip, aber das digitale Bauantragsverfahren findet in Hessen noch viel zu selten Anwendung. Und bei zögerlicher und schleppender Umsetzung droht eine große Gefahr: Eine sehr zeitaufwändige und kostenträchtige Phase der hybriden Antragsbearbeitung. „Man kann es einfach sagen, hybrid ist unbezahlte Doppelarbeit, und zwar auf beiden Seiten, in der Behörde und bei den Bauherren und ArchitektInnen,“ so Kammerpräsidentin Brigitte Holz.

Was erwarten die antwortenden Architektinnen und Architekten von der politisch vielbesungenen Beschleunigung der Verfahren durch Digitalisierung, mit der die Praxis in der Ämterrealität aber erst einmal heftig kämpft? Die Digitalisierung eines Bauantragsverfahrens ist eine komplexe, zeitraubende Angelegenheit. Die Architektinnen und Architekten gehen zu 70 % von einer zukünftigen Vereinfachung aus. Sie können sich zu 68 % auch vorstellen, dass der Zeitaufwand der Antragsstellung im Prinzip sinkt. Das wäre auf der Habenseite. Auf der Verlustseite stehen aber auch Befürchtungen: Nur 19 % stimmen der Aussage zu, dass die Verlässlichkeit der Bearbeitung im Bauamt steigt. Das gleiche Ergebnis zeigte die Frage, ob weniger Behördenkontakt Zeit spart. Ganz im Gegenteil fordern eindeutige 73 %, dass Zeitfenster für informelle Vorklärungen durch Abstimmungsgespräche mit den Bauprüferinnen und Bauprüfern trotz Digitalisierung zu sichern sind. Denn gerade die Vorgespräche unter kompetenten BauprüferInnen und ArchitektInnen stellen häufig sicher, dass hinterher die Bearbeitung der Verfahren glatt vonstatten geht. „Das ist ein dringender Appell und auch eine Warnung an die Kommunen“, ordnet Brigitte Holz das Ergebnis ein, „Digitalisierung ersetzt nicht menschliche Beratungs- und Entscheidungskompetenz. Das Ideal einer vollautomatischen Verwaltungsentscheidung ist ein Trugbild. Digitalisierung kann im besten Fall Regelprozesse verkürzen und erleichtern, um mehr Zeit für bessereEntscheidungen bekommen. Sie darf nicht der Schlüssel für Personalabbau in den Ämternsein“, fordert Holz.

Wie steht es ansonsten um die Digitalisierung des Berufsstands der Architektinnen und Architekten selbst, wollte die Kammer zudem wissen. 74 % sagen, dass die Digitalisierung ihren Arbeitsalltag prägt und 69 % der Befragten geben die Auskunft, dass sie sich damit schon lange befassen. 79 % sehen darin einen positiven Modernisierungsschub. Digitalisierungsskeptiker sind rar gesät, sagen doch nur 10 %, dass sie sich damit so spät wie möglich befassen werden. Vielmehr gehen 50 % der Architektinnen und Architekten davon aus, dass sich der Beruf durch die Digitalisierung stark verändern wird. Diese Einschätzung hohen Innovationspotenzials erklärt, dass bei den teilweise erwarteten Sprunginnovationen 83 % den Wunsch an die Politik richten, passgenaue Förderprogramme aufzulegen. Sie stellen die Forderung auf, damit der Mittelstand den Weg der Digitalisierung, dem die Branche aufgeschlossen gegenübersteht, auch mitgehen kann und nicht unter anderem wegen hoher Investitionsbedarfe in IT in Abhängigkeit von großen Planungseinheiten oder Services von IT-Plattformen gerät.

„Der Verlust an Vielfalt der kreativen jungen Büros wäre auch ein Verlust für die Baukultur“, so Präsidentin Holz. „Gleichzeitig bietet die Digitalisierung unglaublich viele wirtschaftliche und gesellschaftliche Chancen; für die Bewältigung der Anforderungen durch nachhaltiges Bauen ist kluge Digitalisierung im Zusammenspiel von öffentlicher Verwaltung und allgemein wohlorientierten Planerinnen und Planern ohnehin absolut unverzichtbar. Wer anders als kompetente Planerinnen und Planer sollte in den künftigen digitalen Gebäudelogbüchernunbeeinflusst von gewerblichen Interessen eintragen, welche Bauteile sich noch als recyclierbare Ressource eignen und welche nicht?“, fragt Brigitte Holz. Die Kammerpräsidentin erweitert damit die Perspektive auf den für das Gelingen des Klimawandels so wichtigen Zusammenhang von umfassender Digitalisierung und Kreislaufwirtschaft.

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